Nov 272008
Ouagadougou - afrikanischer kann ein Ort nicht klingen oder? und es ist nichtmal ein kleiner Ort, sondern die Hauptstadt von Burkina Faso, einem Land von dem ich bis vor der Reiseplanung nicht einmal wusste wo es ueberhaupt ist, aber der Reihe nach.
[caption id="attachment_275" align="alignleft" width="320" caption="Geoff auf dem Falaise de Bandiagaraplatteau"][/caption]
Unser Ausflug ins Land der Dogon gehoerte zweifelsfrei zu den besonders eindrucksvollen Abstechern. Die Dogon leben neben anderen Voelkern unterhalb des Falaise de Bandiagara, einem etwa 250 Meter hohen Felsmassiv, dass eine Hochebene vom dahinter liegenden Tiefland trennt. Der Blick von den Felsen ins bis zum Horizont reichenden Tiefland, dass uns in Burkina erwartet, ist eine belohnende Abwechslung nach den vergangenen Tagen im hauptsaechlich buschbewachsenen flachen Land. Geoff, der kein Interesse hatte weitere Lehmhuetten zu sehen, fuhr voraus um die Grenzueberquerung zu inspezieren und Mark und ich versuchten zunaechst mit dem Motorrad auf dem Sandweg entlang des Falaise zu weiter entfernten Doerfern zu gelangen. Nach etwa 500 Metern gaben wir schwitzend auf und entschlossen uns, die Motorraeder stehen zu lassen und stattdessen mit einem gemieteten Guide und Nanga dem Ochsen auf einem Ochsenkarren das Land zu entdecken. Auf unserer kurzen Reise durchs Land der Dogon begneten uns bereits einige der vielen markanten Rituale und Traditionen. Zunaechst sieht man ueberall in den Baeumen die geerntete Hirse, die dort aus Schutz vor den Tieren hochgehieft wird.
[caption id="attachment_276" align="alignleft" width="320" caption="Kornspeicher im Fels"][/caption]
Noch viel weiter oben, naemlich direkt in der Felswand, sind die Lehmkornspeicher in Form kleiner Huetten bereits von weitem zu sehen. Vom Durchreisenden wird erwartet, ein Geschenk mitzubringen und zwar nicht irgendeines, sondern die Kolanuss, die sehr beliebt ist und aus der weit entfernten Elfenbeinkueste kommt. Die Kolanuss ist eine etwa pflaumengrosse, harte, gruene und sehr bittere Frucht. Unser Guide hatte einen Beutel dieser Nuesse dabei und als wir an drei alten im Schatten liegenden Maenner vorbeifuhren, zeigte er den Beutel und einer kam erstaunlich flink angerannt, sichtlich mit Freude erfuellt und nahme jeweils einen Kolanuss fuer die Maenner von uns entgegen. Wir verteilten daraufhin den Grossteil des Beutels an diverse Dorfaelteste oder im Austausch fuer Fotos. Die meisten Kinder haben die typischen aufgeblaehten Baeuche als Zeichen einseitiger Ernaehrung, noch auffaelliger aber sind die herausstechenden Bauchnabel, die teilweise tennisballgross herauswoelben. Das die Ernaehrung einseitig, also in erster Linie aus Reis und Korn besteht, liegt im uebrigen meist nicht am Nichtvorhandensein anderer Nahrungsmittel, sondern daran, dass anderes Angebautes wertvoller ist und auf den Maerkten verkauft wird. Fuer das Geld werden dann neben Batterien, Motorollern und Benzin und anderen Dingen neuerdings eben auch Handys und Telefonkarten gekauft.
Die Frauen tragen ihre Kinder auf den Ruecken gebunden tagsueber mit sich herum, egal ob beim gemeinsamen Stampfen des Getreides oder beim Laufen mit voll beladenen Gepaeck auf den Koepfen. Nach kurzer Zeit faellt auf, das beinahe jede Frau im gebaehrfaehigen Alter ein Kind auf dem Ruecken traegt oder wenigstens ein Kleines in der Naehe ist. Die riesige Anzahl der Kinder, die bei unseren Durchfahrten am Strassenrand stehen und winken oder nur fasziniert gucken ist erstaunlich und weisst auf das hier sehr niedrige Durchschnittsalter hin. Waehrend die Bevoelkerung gegen die Haupttodesursachen Malaria und Aids kaempft, scheint die schiere Anzahl neuen Lebens einen Bevoelkerungsschwund effektiv aufzuhalten. Aids ist im uebrigen kein offen ausgesprochenes Thema. Es gibt zwar ueberall am Strassenrand Hinweisschilder, die auf Aufklaerungsversuche hindeuten, aber da ein mit Aids infiziertes Familienmitglied aus dem Familienleben ausgestossen wird, wird die Krankheit im Allgemeinen verschwiegen. In einem Leben, in dem die Familie die wichtigste Institution ist und praktisch gleichbedeutend mit Leben, kaeme ein Ausstoss einem Todesurteil gleich.
Nanga zieht uns vorbei an etwa 1,20 Meter hohen Dachkonstruktionen unter denen die Maenner sitzen und sich von der Tageshitze ausruhen und die Begruessungsformalien hier sind noch ausgefallenener als anderswo bisher. Das Hin- und Herwerfen der kurzen Fragen und Antworten ist mit einem rhytmischen Gesang zu vergleichen, der zum Ende hin langsam abebbt. Drei Frauen folgen uns, die Muender schwarz ummalt, alle kichern und eine stillt ihr Kind waehrend des Laufens. Ich schaetze sie auf etwa 25 und bin ueberrascht, was Kinder und nicht vorhandene BHs, bereits in diesem Alter mit den Bruesten anstellen.
Abends sitzen wir mit unseren Dogongastgebern zusammen beim Essen und ich hole meine Musik heraus und stosse auf vollste Zustimmung, schliesslich habe ich die Stars Malis im Gepaeck. Nach und nach kommen mehr dazu, alle schaukeln oder singen mit und wir sehen uns Marks und meine Bilder an. Sogar Bier hat man uns besorgt, warm zwar, aber die Atmosphaere ist so entspannt und friedlich, da truebt selbst ein warmes Bier nicht die gute Stimmung. Die Nacht ist warm, noch waermer als bisher und selbst morgens um sechs liege ich noch mit freiem Oberkoerper und ohne Schlafsack in meinem Unterzelt (das Oberzelt habe ich schon lange nicht mehr aufbauen muessen), dass ein hervorragenden Mueckenschutz abgibt.
Die Zeit in Mali war schoen und ich waere gerne noch laenger geblieben und ebenfalls nach Timbuktu gefahren, aber die anderen sind etwas unruhig und das Unbekannte ruft. Landschaftlich gab es bis auf den Niger und das Falaise kaum Hoehepunkte, aber die Freundlichkeit der Menschen, gute Musik und die bunte Mischung der verschiedenen Voelker haben Mali zu einem sehr positiven Erlebnis fuer mich gemacht.
Der Uebergang nach Burkina Faso war einfach und kostenfrei und da es keinen offiziellen Uebergang gab, mussten wir uns bei Polizei und Zoll in den der Grenze jeweils naechstgelegenen Orten melden. Die Strasse ist gut aber staubig und wir fahren in grossem Abstand, um freie Sicht zu behalten. Entgegenkommende Lastwagen huellen die Strasse jedoch regelmaessig in undursichtigen roten Staubnebel ein. Es ist trocken und ab und zu sind groessere Wasserloecher am Strassenrand, die teilweise von hunderten von Kuehen umgeben sind. Geier fliegen am Himmel oder sitzen in der Naehe der Wasserloecher und verleihen der recht kargen Landschaft eine zusaetzliche Trostlosigkeit.
[caption id="attachment_278" align="alignleft" width="320" caption="tierische Fracht"][/caption]
Burkina ist arm, eines der aermsten Laender weltweit, und auf dem Weg zur Hauptstadt sehen wir nur kleine Huetten in aermlichen Doerfern und um den Sonnenuntergang zu schlagen (habe ja kein Licht) fliegen wir recht schnell dem Zentrum des Landes entgegen. Dichter Smog empfaengt uns bei der Einfahrt, in erster Linie verursacht durch die tausenden Rollerfahrer, die sich dicht durch den Verkehr draengen. Staedteplaner versuchen der Stadt ein modernes Aeusseres zu verschaffen und so werden ganze Viertel im Zentrum dem Erdboden gleich gemacht, um neue grosse Haeuser anstelle der kleinen Baracken zu bauen. Zum Teil gelingt das ganz gut, aber es entsteht ein unharmonischer Kontrast zwischen alt und neu und die vielen, noch unbebauten, brach liegenden Leergebiete mitten im Zentrum werden erstmal genutzt um Muell zu lagern. Alles wirkt wie nicht fertiggestellt, nicht richtig geplant, nicht ausreichend finanziert und teils verwahrlost. Dennoch ist Ouaga eine vergleichsweise moderne Stadt, die moderne Supermaerkte und Einkaufsmoeglichkeiten zu bieten hat. Der Anteil Weisser innerhalb dieser Einrichtungen ist allerdings betraechtlich, ebenso wie die Preise, die auf europaeischen Niveau liegen. Ouagadougou war mir anfangs recht unsympathisch und meine ueber dem Klo haengend verbrachte erste Nacht hier, hat meine Stimmung weit in den Keller gefahren. Zum ersten mal waehrend der Tour spuere ich eine Reisemuedigkeit aufkommen und will weg ohne richtig hinzusehen.
Die Hoehepunkte des ersten Teils unserer Reise sind hinter uns und vor uns liegt der schwierigste Teil, durch das teilweise instabile, bruetendheisse Zentralafrika, mit Nigeria und Angola als groessere Problemzonen. Aber dennoch zeichnen sich Hoehepunkte ab, viele Nationalparks und ueppigste Vegetation, die Voodoo Religion, anspruchsvolle (also schlechte) Strassen, aussergewoehnliche Straende, belebte Maerkte, Vulkane, entrueckte Voelker und vieles mehr. Die Weiterfahrt ist derzeit etwas ungewiss und haengt davon ab, ob wir in Ouaga ein Visum fuer Nigeria bekommen koennen, falls nicht, muessen wir vermutlich den Umweg ueber Ghana machen, dem einzigen Land, in dem es einfach zu sein scheint, das Visum zu erhalten.
Weitere Massnahmen zur Afrikanisierung der KTM
Quagadougou-klingt afrikanissch,aber schreiben u.sprechen kann man es kaum und merken noch viel weniger.Durch deine ausführlichen und sachkundigen Beschreibungen lerne auch ich ständig dazu, aber leider nur theoretisch.Mein größtes und wertvollstes Geschenk war gestern dein Anruf. Deine Stimme zu hören ist noch etwas ganz anderes als Worte zu lesen-du warst plötzlich so nah. Ich musste an deinen Artikel “Bewegung tut gut” ,den ich sehr gut fand, dabei denken -wo du über Glück und Freude unabhängig von materiellem Besitz schreibst. Ich umarme dich und freue mich, dass es dir wieder besser geht. Deine Mama
.. es ist schön zu hören, dass dich dein Weg immer weiter führt, dass es dir gelingt, dich ein Teil der Menschen dort zu werden, zu kommunizieren (Musik ist wohl auch eine Form von Sprache), zu verstehen, zu genießen und du selbst zu sein. Mir scheint es fast so, als wenn die langsame Transformation deiner KTM nicht nur dein Motorrad betrifft. In Vorfreude auf die nächste Episode der Reihe “migos way down”, kt
Nigeria? Uh.. Da kann man ja echt Angst bekommen, da das Land bei uns ständig wegen Fluchtwellen usw. in den Nachrichten ist. Heute wieder.
Ich wünsche Dir alles gute für Deine Weiterfahrt!