Oct 302008
Halbwegs erholt bin ich nach kurzem Zwischenstop in Noukshott und St. Louis zusammen mit Peter und Mark, die ich in Noukshott wieder eingesammelt habe, in Dakar angekommen.
Der Grenzuebergang nach Senegal warf seine Schatten, durch Unterhaltungen mit anderen Reisenden und diversen Internetberichten, voraus. Rosso, die Grenzstadt auf mauretanischer Seite, erzeugt beim Aussprechen bei mir schon leichtes Schaudern. "unbedingt vermeiden", "schlimmste Grenze in Westafrike", "alle Wertsachen festhalten", "Korruption pur", "Luft anhalten und Ruhe bewahren" usw. waren die ueblichen Aeusserungen. Der Senegal River ist die natuerliche Grenze zwischen den beiden Staaten und man wird auf beiden Seiten von einer grossen Anzahl Betruegern, korrupten Beamten, bettelnden Kindern, aufdringlichen Grenzfuehren und Haendlern umringt. Angewiesen auf die Faehre oder die zahlreichen kleinen Boote zwischen den Ufern, sieht man sich, auf die Uberfahrtgelegenheit wartend, laengerfristig einem schier unertraeglichen Kampf gegen die hautnah stehende Menge ausgeliefert. Jeder versucht hier den Grenzgaenger auszunehmen so weit es nur moeglich ist und man bezahlt utopische Summen fuer jeden Dienstleister auf dem Weg, vom Einweiser auf der Faehre, ueber die Schrankenverantwortlichen bis hin zum Militaer und der Polizei. Wer hier halbwegs schnell durch will, zahlt. Schlimmer noch, haben sich unsere Befuerchtungen verstaerkt, als wir via Email von Geoff, der bereits nach Dakar vorgefahren war, erfahren haben, dass er von einem POLIZISTEN beim Uebergang ausgeraubt worden ist. Dieser forderte mit gezogener Pistole nichts geringeres als das Motorrad. Nach einger Diskussion kam Geoff dann mit 140 abgetretenen Euro (dem gesamten Portemonaieinhalt) weiter.
Aber es gibt eine Alternative, den etwas schwer zu findenden Uebergang in Djema, etwa 100 km weiter westlich, zu erreichen ueber eine Sandpiste durch die Sumpfgebiete. Uns war klar dass wir die Piste finden muessen, koste es was es wolle. Dennoch muss mann zunaechst nach Rosso und ich kann nur sagen der vorauseilende schlechte Ruf hat sich sofort bei Ankunft in Form eines sehr unguten Gefuehls manifestiert. Beim kurzen Tankaufenthalt waren wir bereits von einer ungeduldigen Menge umgeben, alle starrten unsere Motoraeder und Geldboersen an, man versuchte uns einzureden Djema waere nicht erreichbar, die Strasse zu schlecht, oder man wollte uns in die falsche Richtung fuehren (Dank GPS aber keine Chance), oder Versicherungen verkaufen unter der Warnung, dass man das in Djema nicht koenne (Unsinn) und wir die 100km nach Rosso zurueckkommen muessten usw. . Auch Mark der sonst immer seinen Helm absetzt um zu rauchen, liess den Helm auf und mir war klar, dass auch er die negative Stimmung hier wahrnahm. Nunja, ums kurz zu machen, wir haben die Sandpiste gefunden und wurden mit einer wunderschoenen Strasse durch die Sumpf- und Seenlandschaften des Senegal Flusses belohnt. Der Uebergang in Djema war zwar von einigen dubiosen Gelduebergaben gepraegt, verlief aber schnell und recht erholsam. Nach 80, in kleinen Summen an vielen Stellen des Uebergangs, losgewordenen Euro waren wir durch und haette sich Peter nicht irgendwo einen Nagel eingefahren und ploetzlich mit plattem Hinterreifen dagestanden, waeren wir sogar im Hellen in St. Louis angekommen.
Dennoch ist zu sagen, dass sich die Prognose, je weiter man in den Sueden kommt, je groesser wird die Korruption, zu bestaetigen scheint. Auf unserem Weg von Noukshott nach St. Louis haben die ersten Polizisten, bzw. Miliaers nach einem Cadeou (Geschenk) gefragt. Das gabs bisher nur von Kindern. Der letzte Polizeistopp wollte uns erst nach Zahlung von jeweils 1000 Oguyia (etwa 3 Euro) durchlassen, nach 10 minuetiger Diskussion (da ich immer als erster an den Stopps ankomme, krieg ich das immer alles ab) haben sie uns dann aber ohne Zahlung durchgewunken.
[caption id="attachment_179" align="alignleft" width="320" caption="Baobab Baum"][/caption]
Senegal ist anders. Senegal ist teurer. Senegal ist Musik. Senegal ist Frauen. Senegal ist schwaerzer, vor allem aber Senegal ist gruener. Vor wenigen Tagen noch von Sand umgeben, bin ich nun in ueppiegem Gruen angekommen. Die oben erwaehnte Sandpiste durch den Sumpf war bevoelkert von allerei mir leider unbekannten Voegeln, erkennen konnte ich nur diverse Enten und Schwalben, Reiher und weisse Flamingos. Es gibt Baobab Baeume und andere Palmensorten und die Luft wird schwueler.
Ploetzlich hoert man westafrikanische Musik, nach dem fuer meine Ohren belastenden Billg-Synthie-Midi-Arab-Pop-Muell gibt es Musik die aus dem Bauch kommt, von ganz unten, die in die Beine geht, Rythmus hat. Ich schnappe von einem auf der Strasse aufgestellten Lautsprecher etwas auf und singe es fuer Stunden in meinen Helm. Ich bin froh das nach fast 4 Wochen wieder Musk in mein Leben gekommen ist und freue mich auf hoffentlich viele Neuentdeckungen.
Auf einmal gibt es Frauen, in Mauretanien kommuniziert man fast ausschliesslich mit Maennern. Frauen sind zwar da, aber im Hintergrund und meist verschleiert. Nicht nur gibt es Frauen, sie ziehen sich auch koerperbetont und aufreizend an. Was fuer ein Gegensatz. Wir sind nach wie vor in moslemischen Gebiet, aber die Auslegung ist hier spuerbar lockerer. Alkohol ist ohne Probleme erhaeltlich und Bier zu trinken scheint hier bei der Mehrheit kein Verstoss gegen die Religion darzustellen.
[caption id="attachment_185" align="alignleft" width="320" caption="Schnappschuss auf der Fischerinsel in St. Louis"][/caption]
Auf dem Weg durchs Land faellt etwas auf, was ich auch in Mauretanien schon erstaunlich fand. Man faehrt durch aermste Doerfer, teilweise nur aus Strohhuetten bestehend und ohne ersichtlichen technischen Fortschritt, aber eine Errungenschaft praegt auffaellig das Strassenbild - das Handy. Ueberall sitzen die Leute auf der Strasse und tippen auf ihrem Handy oder telefonieren und die Logos der Anbieter praegen unuebersehbar dominant jedes Stadtbild (hier in Senegal ist es "Orange"). In jedem auch noch so kleinen Laden kann man Prepaidkarten erwerben und fliegende Haendler mit solchen Karten gibts an jeder Ecke. Dreiste Kinder fragen nicht nach dem Cadeau sondern direkt nach dem "portable" und das man mit dem Handy neben dem Telefonieren auch aktuelle Musikvideos herunterladen kann ist hier, wie uns in Terjit demonstriert wurde, ebenso wenig ein Geheimnis.
Tief eingerusst vom Diesel der Lasterkaravanen sind wir in Dakar angekommen. Die letzten 30 Kilometer vor der Stadt waren mit gutem Abstand die widerwaertigsten und stinkensten Motorradkilometer bisher. Ein nicht enden wollender Molloch aus Muell, Abgasen, slumaehnlichen Behausungen und dichtem Stau. Die Strassenraender sind voll mit Menschen, die zwischen den Autos hin- und herspringen und irgendentwas verkaufen wollen. Als mir irgendwann, in einer schwarzen Dieselwolke stehend und voellig verschwitzt und erschoepft, ein zahnloser alter Mann orthopaedische Knieschoner verkaufen wollte, wusste ich nicht mehr wie ich darauf noch reagieren soll und hab ihn nur geistesabwesend angestarrt.
Mit dem eigenen Vehikel in Dakar, dem Ziel der groessten Ralley der Welt (zunmindest bis vor kurzem noch), einzufahren, hat schon etwas erhebendes. Aber es kostet viel Kraft. Dakar ist eine heisse, laute, brummende, voellig chaotische und fuer afrikanische Verhaeltnisse recht europaeische Metropole. Als offensichtiler Tourist hat man es nicht leicht seinen Weg durch die Innenstadt zu bahnen. Eigentlich ist man permanent damit beschaeftigt, zu versuchen Leute loszuwerden die einem irgendwas verkaufen wollen, aber ich vermute das wird sich wohl in den kommenden Wochen auf meinem Weg durch Afrika kaum aendern. Ich bin jedenfalls froh wenn wir uns in den kommenden Tagen auf den Weg gen Sueden, nach Casamance, machen werden, um an den schoensten und entlegensten Straenden Senegals bei Raggae etwas zu entspannen, bevor wir unseren Weg nach Mali antreten. Wenn alles gut geht, werde ich mich kurzeitig von der Gruppe trennen, um einen Abstecher zu einem Hilfsprojekt zu machen, aber dazu im naechsten Beitrag mehr.
Bitte entschuldigt meinen etwas schnell zusammengetippten Bericht und vielen Dank fuers bis hierhin gelesen haben.
Hey Gordon,
hört sich echt spannend an deine Reise! Ich überlege ja, ob ich mit meinem alten Mercedes Bus nachkomme und ihn irgendwo in Westafrika verkaufe…. 😉
Solltest du nen guten Ort dafür finden, sag Bescheid! 🙂
Gruß aus dem grauen Berlin und weiter spannenden trip,
Jörg
Migo, vielen Dank für noch einen sehr interessanten Bericht. Deine Abenteuer sind schon bezaubernd, deine Beschreibung davon aber bezaubernder. Freue mich im Voraus auf die nächste.
Liebe Grüße aus dem baobablosen und musiklosen Berlin.
da bin ich aber froh, dass noch alles bei und an dir dran ist, bärsche…nach dem erlebnis von geoff scheint es unvermeidlich, die offizielle landessprache zumindest soweit zu beherrschen, dass man sein gegenüber versteht und hoffentlich zu eigenen gunsten verhandeln kann…wie sieht es denn sprachlich bei dir aus?
zu den fotos: endlich sieht man bunte farben und bewegte bilder – naja eins.. 😉 aber das steigert die vorfreude auf deine impressionen, wenn du wieder in heimischen gefilden bist…bitte, bitte mehr davon!!!
und auch wenn der baum, vor dem du stehst, irgendwie unwirklich und märchenhaft aussieht, sieht man dir deine anstrengungen in der vergrößerung doch recht merklich an…ich hoffe dir geht es besser, als es von außen scheint, oder es lag vielleicht an der sonne..also pass weiterhin gut auf dich und dein motorrad auf und bewahr dir dein bauchgefühl in bestimmten situationen!!!
sei ganz doll gedrückt
pauline
aus Indien liebe Gruesse,ich war ganz gluecklich dich gesund und munter auf dem Foto zu sehen. E s geht ja wirklich auf und ab bei dir. Man kann angst bekommen,wenn man das alles liest, aber deine beschreibungen sind einfach toll. zu Hause mehr.
Afrika ist eben ein Abenteuer, da geht kein Weg dran vorbei .. dennoch bin auch ich sehr froh, dass es weiterhin “nur” ein Abenteuer ist und du zudem das Glück hast, gerade in solchen Momenten nicht allein unterwegs zu sein.
Nachdem hier das Wetter deutlich kühlere Züge angenommen hat, ist es eine doppelte Freude von warmer, schwingender Luft, bunten Farben und der Aussicht auf einen musikalischen Sandstrand zu lesen. ich bin schon gespannt, wie du dort mit deiner knallbunten roten Badehose (liebe Grüße von Basit und Wiebke) ankommst .. zumindest kannst du, was die Farbenfrohheit angeht, hier in jedem Fall mithalten .. ob allerdings deine Beine nach dem langen Motoradfahren noch einen fetzigen Reggie hinbekommen, das gilt es wohl einfach zu testen 😉 .. an Frauen, die einen aufheizen und die Stimmung zum kochen bringen, scheint es ja offensichtlich nicht zu fehlen 😉
Liebe Grüße, aus dem fernen
von morgendlichem Schneeregen gewaschenen Berlin
kt
Ah schoen, dass ihr noch dfran seid. Es freut mich auch das der Reiseprofi ansich, Joerg, hier reinschaut. Was das Bus verkaufen angeht, wuerde ich bisher Senegal empfehlen, ich habe bereits viele Berichte gehoert von Leuten, die hier SEHR gut ihr Fahrzeug verkauft haben. In Mauretanien haben wir einen Hollaender (etwa 70) getroffen, der jeden Winter nach Senegal faehrt und schon oft sein alten Wagen gewinnbringend losgeworden ist. Bis Senegal jedenfalls benoetigt man kein Carnet de passage, was unter Umstaenden den Verkauf unattraktiv macht.
Mama aus Indien :), richtig multinational hier! hoffe dir gehts gut da drueben.
BiB, Chryshen, kt schoen euch immer wieder hier zu sehen.
Wie ihr seht habe ich gerade Zeit, denn ich werde vermutlich doch laenger in Dakar bleiben muessen, da ich auch mit bezahltem Guide und 10 Stunden hin- und hergehetze nicht in der Lage war meinen scheinbar verschollenen Reifen aufzutreiben. Morgen versuchen wir es wieder, aber das ganze hat bereits jetzt eine Komplexitaet angenommen, die hier gar nicht mehr schilderbar ist. Ich bin ziemlich genervt…
hey…cih weiß nicht ob du jetzt noch online bist, und das lesen kannst, aber so zeitnah mal ein paar grüße zusätzlich zu bestellen, lasse och mir nicht mehmen..!!
also vile glück bei der suche nach deinem reifen und du weißt: alles wird gut!!
sei gedrückt
die chryshen
grade so noch gelesen 🙂 Danke, in 2 min ist meine internetzeit vorbei. liebe gruesse nach berlin.
oh je, die reifen sind nicht findbar? 🙁
phiuu… hab den Reifen!!!
vielen Dank an KTM-Tom und den chens 🙂
juhu! alles da? na dann viel spass beim reifenwechseln. wenn es tatsächlich immer so viele leute gibt die helfen wollen vielleicht kannst du einem das reifenwechseln aufdrehen 😉
Hallo Sonnenschein, wie es aussieht, steht der wilden Fahrt durch Afrika nun nichts mehr im Wege. Ich habe beim lesen überrascht festgestellt .. dass ich beinah geneigt wäre einen “migo – reiseführer” zu kaufen/ runterzuladen 😉
.. auf in den warmen Süden, real oder eben virtuell, kt