[caption id="attachment_810" align="alignleft" width="320" caption="Aufbruchstimmung"][/caption]
Nach längerer Zeit des Rückblicks auf afrikanische Erlebnisse, darf ich mit Aufregung wieder nach vorne schauen. Eine neue Tour steht an, diesmal Richtung Südosten quer durch die Türkei und den Iran zum persischen Golf. Der jahreszeitliche und persönliche Zeitpunkt ist günstig, da gilt es entschlossen zuzupacken, bevor die Vernunft die Oberhand gewinnt, denn eine längerfristige Fernreise kommt aus dem Bauch, nicht aus dem Kopf. Ein Tscheche an der Grenze zu Tschechien, der mich interessiert mit Blick auf die Fernreiseoptik meiner Enduro, nach dem Ziel meiner Reise fragt, lächelt und antwortet auf Deutsch "Wenn man ist ein bisschen verrückt, dann das Leben ist besser" und fügt hinzu "Ich bin über 70, mache Kanumarathons und schlafe in meinem Wagen" und weist daraufhin auf seinen Passat mit einem Kanu auf dem Dach. Wir verabschieden uns händedrückend und wissen genau, warum der andere tut was er tut. Ein gutes Gefühl.
[caption id="attachment_685" align="alignleft" width="320" caption="Yamaha XT 660 Z Ténéré"][/caption]
Die neue Reisebegleitung heißt Ténéré und wirbt damit, der ideale Untersatz für Reisen fernab heimischer Gefilde zu sein. Ein Zylinder, robuste und bewährte Technik ohne viel Firlefanz, aber mit dem Aussehen einer, die verspricht dich auch in die entlegensten Regionen tragen zu können. Im Reigen der Reiseenduros ist sie in vieler Hinsicht ein Gegenspieler zur KTM. Mit dem Neuen versucht man eben häufig ganz gezielt die spezifischen Schwächen des Alten zu tilgen, nicht selten in dem man den dessen positiven Eigenschaften zu wenig Bedeutung beimisst. Bislang jedoch verhält sie sich äußerst diszipliniert und ich hoffe Ihr in den kommen Beiträgen erheblich viel weniger Aufmerksamkeit widmen zu müssen, als der KTM in meinem vergangenen Bericht. Wir werden es sehen <auf Holz klopf>.
Dass das Fahrzeug der Wahl wieder ein Motorrad sein muss, steht für mich natürlich außer Frage und während der Reisevorbereitung wurde mir aufs neue bewusst, dass es nicht nur darum geht welche Vorteile und Freiheiten einem das Motorrad zu schenken vermag, sondern insbesondere auch darum, was es einem nicht gibt. Man bekommt keinen Rückzugsort, keine Bequemlichkeit und vor allem, wenig Stauraum. Man will das natürlich alles haben, aber letzlich bereichert es die Reise, sich von diesen Dingen zu lösen, bzw. lösen zu müssen. Das Fehlen fördert die Auseinandersetzung mit dem, was vor Ort zu finden ist. Und so tausche ich nach gezwungener und mehrfacher Gepäckreduzierung am Ende doch noch die schöne aber platzfressende Bermuda-Badeshorts gegen die kleine Speedo und lasse zähneknirschend meine geliebte aber hoffnungslos große und schwere Haarschneidemaschine, die in meinem Fall regelmäßig für Kopf und Bart verantwortlich ist, zu hause. Was ich wirklich brauche, kommt mit, was ich gerne hätte, bleibt zu hause und die Eitelkeit gleich mit. Gut so.
[caption id="attachment_728" align="alignleft" width="320" caption="Transfăgăraşan"][/caption]
Die ersten 3500 Kilometer der Tour sind im übrigen bereits auf der Fahrt von Berlin nach Istanbul hinter mir/uns (zum Teil mit der Freundin als Sozius) gelassen und so konnte ich mich langsam auf das Eintauchen in den nahen Osten, und das Reisen allgemein, einstimmen, ohne plötzlich aus der Luft in eine andere Welt zu fallen. Mit Besuchen bei Freunden auf dem Weg Richtung Budapest (Vielen Dank an dieser Stelle an meine liebenswerten Gastgeber!), einer Kreuzfahrt durch die rumänischen Karpaten und einer Verschnaufpause im wunderschönen, obgleich extrem touristischen Alt Nessebar am Schwarzen Meer in Bulgarien, hatte ich ausreichend Gelegenheit mich in meinen Reiserhythmus einzutakten. Insbesondere Rumänien hat einen tiefen, letztlich positiven, aber gespaltenen Eindruck hinterlassen. Eine außergewöhnlich reizvolle Landschaft in Transsilvanien, mit bildhaft hübschen Städten wie Brasov/Kronstadt (das von sich selbst behauptet es sei die beste Stadt der Welt) steht einer Vielzahl von erschütternd hässlichen, teils riesigen und verlassenen Industriekomplexen gegenüber, die nahezu vor allen Städten zu finden sind. Die Mittel für den Abriß oder Umbau standen offenbar nie zur Verfügung. Meine Freunde von Go2Know hätten hier ihre wahre Freude. Überhaupt scheint man in Rumänien häufig zu rigoros beim Bau von Brücken, Kanälen, Staudämmen und Industrieanlagen in die Natur eingegriffen zu haben. Alles wirkt ein wenig zu groß, zu plump, zu hässlich und zu verkommen. Ein Land voller baulicher Narben.
[caption id="attachment_743" align="alignleft" width="320" caption="Hmm.."][/caption]
Istanbul, mein jetziger Aufenthaltsort ist Ausgangspunkt für die kommenden Beiträge und geeignet für einen einwöchigen Zwischenstopp auf dem Weg nach Dubai. Zu Gast bei meiner Freundin Gina genieße ich den Blick über den Bosperus und auf die asiatische Seite der Stadt und bereite mich auf die Weiterfahrt vor. Istanbul selbst liefert den idealen Übergang in die asiatische und islamische Welt. Während man in feuchtfröhlichen Bargassen ausgelassen feiert, tönt das Gebet des Muezzins über die Stadt. Das Wort Gottes vermischt sich hier mit westlichem Lebensstil in einer dichten, hektischen und außergewöhnlich vielseitigen Stadt. Der Islam und dessen Auslegung im Alltäglichen wird mit fortschreitender Ostbewegung an Präsenz gewinnen, um dann im Iran in Form der Scharia als Gesetzesgrundlage auf besonders ausgeprägte Weise in den Vordergrund zu treten. In den kommenden Wochen und besonders im Iran möchte ich vor allem auch eine Auseinandersetzung mit dem auch mir innewohnenden, westlichen Bild der islamischen Welt und der tatsächlich vorgefunden Wirklichkeit anstreben.
[caption id="attachment_744" align="alignleft" width="320" caption="Katzen in Istanbul"][/caption]
Zunächst aber prangt überall in Form von Statuen und Bildern der große Attatürk, der Gründer der, im Gegensatz zum Iran, säkular geprägten Türkei und wäre da nicht die Vielzahl monumentaler Moscheen in der Stadt, könnte man sich fast in einer westlichen Metropole wähnen. Dicht, hektisch und hoffnungslos verstaut ist es hier, doch der Bosperus fließt, gespickt mit langsam dahin ziehenden Fracht- und Passagierschiffen, wie eine lebensbringende Ader durch die Stadt und scheint das Chaos der Strassen zu schlucken. Auch die von den Türken geliebten Katzen, die hier zu hunderten gelassen und friedlich in den Strassen leben, vermitteln der Stadt ein wenig Ruhe. Überall sitzen sie, bevorzugt auch auf meinem Motorrad, was völlig mit Katzentatzentapsen überseht ist. Gebetsrufe, Möwenschreie, der Ruf der Schiffshörner, der sich tief und kraftvoll zwischen den Hügeln des Bosperusufers aufschaukelt, endloser Bau-und Straßenlärm, Marktgeschrei und Musik aus der Vielzahl von Bars und Cafés ergeben ein nicht gerade stressfreies, aber einzigartiges akustisches Gedicht.
Ich genieße diese außergewöhnliche Stadt, bin in Erwartung auf die ca. 6000 vor mir liegenden Kilometer aber mächtig ungeduldig. Die grobe Route ist geplant, ein Satz extra Reifen (die ich vermutlich nicht brauche, aber sicher ist sicher) organisiert und auch sonst sind alle Vorbereitungen getroffen. Heute breche ich also nach Osten auf und werde an dieser Stelle meine Gedanken und Erlebnisse zum Besten geben, sobald sich hinreichend Mitteilungswürdiges angesammelt hat. Meine aktuelle Position (links in der Sidebar) werde ich (falls möglich) unabhängig vom Geschriebenen aktuell halten.
Wilkommen zurück und viel Spass beim Lesen in den kommenden Wochen.
Euer migo.
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