Apr 072009
In nur 15 Stunden hat mich ein Flieger über eine Strecke getragen, für die ich 5 Monate auf dem Landweg benötigt habe, auf einem Weg so vielseitig und weit, dass ich ihn nicht als Ganzes im Kopf halten kann. 5 Monate in denen ich nahezu täglich Eindrücke aufgenommen habe, die sich über dem Maß des für mich Gewöhnlichen einordnen und die sich Erlebnis für Erlebnis in meinem Gedächtnis verewigt haben. Mit einer Mischung aus Melancholie, Stolz, Befriedigung und Glück denke ich an den ersten Tag zurück, an meine Abfahrt im nasskalten Berlin und die erste Etappe nach Aachen. Dann an den zweiten Tag, den dritten usw. und ich stelle fasziniert fest, dass ich mich bis zu meiner Ankunft in Kapstadt an nahezu jeden Tag dazwischen erinnern kann. Ich stehe am Kap der guten Hoffnung und schaue nach Norden, der Kontinent ragt quasi über mir auf und ist prall gefüllt mit den Erlebnissen der bei weitem außergewöhnlichsten Reise meines Lebens.
Von Marokko bis Südafrika zeigt Afrika viele, teils völlig verschiedene Gesichter und in einigen Beiträgen habe ich darauf hingewiesen wie stark sich Leben und Leute verändern, sobald man Grenzen überquert. Von den Berbern in Marokko, über die Sandwüsten in Mauretanien, der Musik Malis, der Lebensfreude Ghanas, dem Wahnsinn in Nigeria, dem Dschungel in Gabon, den Strassenwüsten in Kongo und der Aufbruchstimmung Angolas bis hin zu den entwickelten, westlichen Ländern Namibia und Südafrika ist Afrika so reich an verschiedenen Eindrücken, dass man sie kaum zusammenfassend beschreiben kann. Während man in Ghana den Eindruck einer gesunden Entwicklung erhält und Fortschritt spüren kann, scheint im Kongo nahezu alles stillzustehen. Während man im sprudelnden Nigeria das Gefühl hat, das Land hektet einem Herzinfarkt entgegen, scheinen in Mauretanien die Uhren langsamer zu laufen. Von Wüste zu Regenwald, Islam zu Christentum, Demokratie zu Diktatur, von urbaner moderner Ballung zu entlegensten, traditionellen Dörfern, von schillerndem Luxus zu erschreckender Armut - Afrika ist ein buntes Kaleidoskop. Gibt es dennoch Gemeinsames?
[caption id="attachment_481" align="alignleft" width="320" caption="Es ist nicht einfach festzuhalten, dass typische afrikanische Lächeln. Mark hat eines in diesem Bild im Land der Dogon in Mali eingefangen."][/caption]
Die oft erwähnte Freundlichkeit der Menschen ist eine Gemeinsamkeit. Unkenrufen zum Trotz, sind wir nicht durch Länder gekommen in den wir uns nicht willkommen gefühlt hätten, in denen uns die Menschen mit Missgunst oder Abneigung begegnet wären. Das ehrliche und von Herzen kommende afrikanische Lächeln, gesehen auf tausenden Gesichtern im ganzen Kontinent, so offen und frei von Künstlichkeit, gehört für mich zweifelsfrei zu den intensivsten Erfahrungen. Nichts beeinflusst die tägliche Stimmung mehr, als das durchs Lächeln vermittelte Gefühl willkommen zu sein. Würde man Afrika in einem Bild festhalten wollen, so müsste es das Lächeln einer der vielen Menschen sein, die einem täglich auf dem Weg begegnen. Afrika sind vor allem auch Kinder. 44% der Bevölkerung südlich der Sahara sind 15 Jahre oder jünger und es sind immer die Jüngsten, die zuerst angerannt kommen, eine Traube um uns bilden und uns neugierig bestaunen. Häufig sieht man sich in Läden, auf Tankstellen und Strassen oder Märkten um und stellt fest, dass ein Großteil der Arbeiten von Kindern verrichtet werden. Die Mütter sind jung und die Generationenfolge ist hier schneller und trotz erschreckend hoher Kindersterberaten hat Afrika das größte Bevölkerungswachstum weltweit. Würde man Afrika in einem Geräusch festhalten, so müsste es das Schreien spielender Kinder sein.
[caption id="attachment_484" align="alignleft" width="320" caption="Wir drei am Ende des vermutlich schwierigsten Tages der Reise, der Schlammschlacht im Kongo. Ein unvergesslicher Moment für uns alle."][/caption]
Natürlich gehören zu meinem Afrika auch meine Abenteuermotorradfahrerkollegen Geoff, Mark und im ersten Teil der Reise Peter. Ohne uns zu kennen aber mit einer gemeinsamen Mission im Herzen, haben wir uns auf eine Reise begeben, die uns eng zusammenschweissen sollte. Wir sind so verschieden, wie man es nur sein kann und ohne die gemeinsame Leidenschaft für Reise und Motorrad hätten wir vermutlich nicht zueinander gefunden oder wären zusammen geblieben. Doch in unserer Unterschiedlichkeit ergaben wir ein funktionierendes Team, das in schwierigeren Etappen zusammenhielt, auch wenn es nicht immer reibungsfrei war. Wir haben von den Anderen gelernt und auch profitiert. Der reiseerfahrene Mark hat die nötige Ruhe gewahrt und erfolgreich ein allzuschnelles Durchqueren verhindert und auch wenn sich Geoff und ich nahezu täglich über Marks Trödelei beschwert haben, haben wir Afrika dadurch letztlich intensiver erlebt. Geoff, unser Teamplayer, hat die Gruppe immer wieder zusammengehalten und zusammengebracht, auch wenn er den Zusammenhalt als sehr dominanter und lauter Charakter gleichzeitig hin und wieder auf die Probe gestellt hat. Von beiden habe ich in den zahlreichen von Bier begleiteten Fachsimpeleien viel übers Motorrad gelernt und immer wieder von deren technischen Verstand profitiert. Ich denke ich war in einiger Hinsicht ein wichtiges Bindeglied für unseren Zusammenhalt und habe die anderen durch meine Freude an der Navigation etwas sorgenfreier und entspannter durch Afrika geführt. Dennoch war es wichtig und gesund hin und wieder der Gruppe zu entfliehen und Afrika auf ganz eigene, individuelle Weise zu entdecken, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Heute teilen wir einige der intensivsten Erfahrungen unseres Lebens und finden in den Anderen die wahrlich einzigen, die wirklich wissen, wie es war, damals auf dem Motorrad in Afrika. Der Anblick von Mark und Geoff, von hinten gesehen auf dem Motorrad sitzend, hat sich für immer in meine Erinnerungen eingebrannt. Ein vertrauter Anblick in der immer wechselnden, fremden Welt. Danke Jungs, dass ihr da wart!
Ich kann diesen Beitrag nicht schreiben, ohne meiner wichtigsten Begleitung, der KTM, einige Worte zu widmen. Wir waren nicht immer gute Freunde auf dem Weg, aber im Grunde hat sie mich nicht vor unlösbare Probleme gestellt. Wenn allerdings der gesammte Erfolg der Reise am zuverlässigen Funktionieren des Motorrades hängt, wird man schonmal etwas hysterisch, wenn man irgendwo weitab und allein mit einen Problem festsitzt, dass die Weiterfahrt bedroht. Die Konsequenzen eines Ausfalls sind fatal für die Reise und die Reise war in diesen 6 Monaten mein Leben. Sie hat ein paar Schwächen, die man kennen sollte, wenn man sich mit ihr auf eine derartige Reise wagt, aber solange sie brav unter einem schnurrt, ist sie aus meiner Sicht das Beste was man auf zwei Rädern bewegen kann. Nach 29350 Kilometer inniger Beziehung, habe ich die Liebe für mein schwarzes Biest nicht verloren und bin heute sensibilisiert fuer jedes Verhalten und jedes Geräusch. Viel Spass hat sie mir bereitet und auf den anspruchsvollen Etappen habe ich viel dazugelernt. Sie ist gross und schwer, aber mit einem Fahrwerk ausgestattet, dass über allem erhaben ist und mit nur 3 Stürzen und 5 Umkippern habe ich weit seltener als meine Mitreiter die Kiste aus der Horizontalen befreien müssen. Das ist dann allerdings zugegeben kein Spass mehr. Würde ich sie wieder mit auf die nächste Reise nehmen? Ja, ich denke schon.
Die Fahrt hat mich tief in den schwarzen Kontinent hineingezogen und mich dabei vollkommen in Anspruch genommen. Abseits der Dinge des Alltags, die uns jeden Tag beschäftigen und deren Vielzahl uns häufig vom eigentlichen Leben ablenken, durfte ich es für mehrere Monate geniessen meine Aufmerksamkeit sehr wenigen aber grundlegenden Dingen zu widmen. Das Motorrad muss fahren, ich muss essen und irgendwo schlafen. "Ride, Eat, Sleep, Repeat" stand passend auf Geoffs Tshirt und eingebettet in diesem sich immer wieder auf neue Weise wiederholenden Zyklus, vergesse ich die Welt ausserhalb meiner Reise. Ich bin hier und Afrika ist mein Leben, meine einzige Realität, weitab von Finanzkrise und Rezession, Terminen und Werbeflut. Ich bin fernab von der Qual der Auswahl und dem unüberschaubaren Angebot unserer konsumorientierten Welt. Doch in der Reduzierung meiner täglichen Tätigkeiten auf ein Minimum, entdecke ich mehr Leben und ein weitaus stärkeres Gefühl des Erfülltseins am Ende des Tages, als in meinem so reichhaltigen Zurückgelassenen. Ich nehme das Wenige intensiver und ablenkungsfreier wahr. Auf einer Fahrt über eine anspruchsvolle Piste gibt es in meiner Welt nur noch die Strasse, das Motorrad und mich. Jeder Gedanke und jeder Muskel dient nur einem Zweck. Es wirkt reinigend und befreiend.
Das Wenige lässt Raum für Zusätzliches und schafft Platz, dem Unerwarteten Zeit einzuräumen. In Afrika gibt es kein "Du ich kann grad nicht, weil ich muss noch..", oder ein "Ich würde gerne, aber", denn man hat immer die Zeit für einen Austausch, Zeit für den Anderen. Der Grund ist nicht das Fehlen wichtiger zu erledigender Dinge, im Umfeld eines jeden gibt es Dinge von grosser Bedeutung und Ziele die man erreichen will, sondern das Priorisieren des Sozialen, oft Familiären, gegenüber Individuellem, vor allem aber gegenüber einer ablaufenden Zeit. Wie es Kapuscinski so wunderbar herausgestellt hat, in unserer westlichen Welt, läuft Zeit ab, in Afrika nimmt man sich Zeit, man erschafft die Zeit die nötig ist. Dinge brauchen so lange Sie brauchen, während bei uns die Dinge so lange brauchen müssen, wie wir für sie einplanen, ein ständiger Wettlauf gegen eine tickende Uhr. Es hat etwas länger gedauert, bis ich mich auf den Rhythmus Afrikas eingestellt hatte. Die "Du ich kann grad nicht, weil ich muss noch.."-Einstellung erwies sich als fest verankert. Doch man muss viel weniger als man denkt.
Der Tag bietet Gelegenheiten jenseits von Müssen und Plänen und Zeitfenstern und häufig versteckt sich das eigentliche Leben genau hinter diesen Gelegenheiten. Ich spreche dabei nicht unbedingt von Gelegenheiten, die bei Ergreifung eine grosse persönliche Bereicherung ergeben, sondern von den vielen kleinen Möglichkeiten etwas Positives zu hinterlassen oder zu erfahren. Ein Lächeln, ein Händedruck, eine Aufmerksamkeit, eine Interessensbekundigung, ein Kompliment, ein Gedankenaustausch der den Anderen anregt, etwas hinterlässt, eine freundliche Geste, das Ausdrücken von Respekt. Hierzu ein typisches Beispiel aus meiner nahezu täglichen Erfahrung.
Ich fahre übers Land und hin und wieder durch kleine Dörfer, die häufig nur aus einer Aufreihung einfacher Häuschen am Strassenrand bestehen. Ich bin angehalten mein Tempo auf langsame 50 km/h zu reduzieren. Nach der flotten Überlandfahrt fühlt sich die Geschwindigkeit scheinbar unerträglich langsam an. Wir haben ein Tagesziel und je eher wir es erreichen, desto entspannter können wir den Abend geniessen, also fahre ich nur bedingt langsamer. In der zügigen Durchfahrt sehe ich die zum Strassenrand rennenden und winkenden Kinder zu spät und kann nicht mehr auf sie reagieren. Ich muss mich darauf konzentrieren, keine Tiere zu überfahren und sehe konzentriert und etwas grimmig aus. Die unter einem Baum sitzenden Älteren beobachten mich interessiert aber etwas skeptisch. 30 Sekunden später verlasse ich das Dorf. Ich hinterlasse enttäuschte Kinder, die eine Art Supermann vorbeifahren sehen, der sie ignoriert hat. Der Aufregung folgt Ernüchterung. Ich hinterlasse auch ein Dorf verärgerter Älterer, die meine Ankunft etwas weniger enthusiastisch wahrnehmen und eher um ihre Kinder besorgt sind, die durch die häufig zu schnell fahrenden Fahrzeuge gefährdet sind. In Deutschland käme noch der Lärmaspekt hinzu, aber in Afrika wird Lärm im Grunde genommen nicht als etwas Negatives wahrgenommen.
Bei einer Durchfahrt mit 50 km/h sehe ich die Kinder kommen, ich lächele (erstaunlicherweise kann man sehr deutlich erkennen, ob man unter dem Helm lächelt oder nicht) und winke zurück. Neben Details wie den am Strassenrand angebotenen Waren oder den Maniok stampfenden Frauen sehe ich jetzt auch die Älteren unter dem Baum und winke ihnen ebenfalls zu. Diese wechseln von ihrer abwartenden, beobachtenden Haltung zu einem gemeinsamen, einladenden Lächeln und winken ebenfalls. Eine Minute später verlasse ich das Dorf. Ich zeige Respekt, Aufmerksamkeit, eine freundliche Gesinnung und Anstand und nehme eine grössere Vielzahl von Details wahr, wofür ich doch eigentlich überhaupt hier bin. Alle Beteiligten nehmen aus dieser kurzen Begebenheit ein kleines, positives Gefühl mit. Ich muss zweimal häufiger schalten und komme abends 30 Sekunden später an.
Man könnte das Beispiel noch weiterführen. Aufgrund der Beschwerden der Dorfbewohner über zu schnelle Fahrzeuge werden später hohe Bodenschwellen im ganzen Ort installiert. Von nun an wird jeder Motorradfahrer bei der Durchfahrt geschüttelt und ist genervt. Jede Bodenschwelle ist auf unbestimmte Zeit eine kleines Ärgernis. Noch weiter gedacht erhöhen sich durch das ständige Beschleunigen zwischen den Bodenschwellen die Benzinkosten, die grössere mechanische Beanspruchung verringert die Haltbarkeit des Motorrades und der Fahrer beansprucht seinen Rücken stärker, was wiederum zu Problemen im Alter führen kann. Je weiter man denkt, desto weniger darf man natürlich die Durchfahrt als isoliertes Ereignis betrachten. Tausende zu schnell fahrende Motorräder beeinflussen die Einstellung der Dorfbewohner und wiederum nur viele tausende Bodenschwellen beeinflussen messbar den Benzinverbrauch oder die Haltbarkeit von Mensch und Maschine.
[caption id="attachment_515" align="alignleft" width="320" caption="Ob ich hier das Richtige mache? - Geoff bei seiner Lieblingsbeschäftigung"][/caption]
Was will ich damit sagen? Man befindet sich tagtäglich in permanenter Interaktion mit seiner Umwelt und jede Aktion hinterlässt eine Wirkung, wenn auch häufig nur eine sehr kleine, kaum wahrnehmbare. Wie gehe ich mit meiner Umwelt um und mit welcher Verhaltensweise will ich mich identifizieren. Man definiert sich mit jeder Handlung und setzt ein kleines, winziges Zeichen. Wir suchen nach einem für uns direkt messbarem Ergebnis unserer individuellen Handlungen, aber es sind vor allem die zahllosen kleinen Gesten aller, die in der Summe unser Miteinander ausmachen. Meist reicht es aus in sich zu gehen und zu fragen, was das Richtige ist. Das Richtige ist häufig leider nicht das Einfache oder Bequeme, doch auch etwas nicht zu tun ist eine Haltung und Zusehen ein Standpunkt. Natürlich kann ich mich nicht mit jedem Strassenverkäufer (um diesen Beitrag wieder zurück nach Afrika und zu meiner Reise zu lenken) darüber erklärend auseinandersetzen, warum ich ihm leider nicht seinen Schmuck oder die Masken abkaufen kann, doch die Bereitschaft dazu wird mich in den meisten Fällen zu einem respektvollen Umgang bewegen, statt einfach ignorant und gestört wegzusehen.
Ich blicke heute über Afrika zurück und frage mich, was von meiner Reise übrig geblieben ist, für mich und für andere. Ich selbst fühle mich nach diesem Rausch von Impressionen und Erlebnissen erstaunlich leer und wurzellos, aber auch rein und frei. Einige hören von meiner Reise und denken ich komme inspiriert zurück nach Hause, voller neuer Ideen und Vorhaben. Doch ich habe schnell bemerkt, dass ich Afrika viel intensiver erlebe, wenn ich mich auf das hier und jetzt konzentriere, statt auf das Übermorgen. Afrika hat mir keine konkreten Vorschläge für mein Leben danach gemacht, aber es hat mich auf tieferer Ebene beeinflusst und sicher verändert. Dazu gehört mehr Offenheit gegenüber Anderem und Neuem, ein sensibleres Gespür was für mich wichtig ist und was zählt, mehr Flexibilität, vor allem aber eine grössere Ruhe gegenüber all den kleinen und grossen Ereignissen des Tages, die sich unvorhergesehen und scheinbar störend in den Weg stellen. Ein Tag der perfekt nach Plan abläuft ist leer und karg, es sind die Überraschungen und Ungewöhnlichkeiten, die man abends seinem Liebsten oder besten Freund mitteilt. Was hätte ich erlebt und gelernt, wenn ich in diesem Blog nur über Abreise von, Ankunft in, Essen dort, Abreise von... geschrieben hätte? Hättet ihr mitgelesen? Ohne einen Plan und den Blick auf das Morgen wäre ich sicher nicht in Kapstadt angekommen, aber jedem Tag genügend Raum für eine Entwicklung jenseits des Planes zu geben und das Unerwartete willkommen zu heissen, statt es zu bekämpfen, war die wahre Bereicherung der Reise. "If you take a journey, dont take the trip but let the trip take you", hat ein Freund von Mark sehr passend dazu gesagt.
Jenseits einer persönlichen Entwicklung denke ich auch bei anderen etwas hinterlassen zu haben. Ich hoffe bei den vielen Menschen die ich auf dem Weg treffen durfte, durch kurzen Blickkontakt auf dem Motorrad oder bei längeren Gesprächen, als kleiner Botschafter einer entfernten Welt etwas Positives bewirkt zu haben und dem Bild des weissen Mannes aus dem meist idealisiert gelobten Europa eine persönliche und natürliche Note gegeben zu haben. Wir sind keine Superhelden, sondern essen, schlafen und lieben genauso wie wir Wasser zum kochen benutzen. "Was esst ihr denn?" war eine sehr typische Frage, wenn wir umringt von einheimischen Dorfbewohnern eine Pause gemacht haben. "Das gleiche wie ihr. Das was auf dem Markt angeboten wird." - manchmal reduziert sich die Botschaft auf das Fundamentalste. Dennoch waren wir Vorbilder, sogar Idole und der Stoff aus dem Träume sind. Für viele war unsere Mission jenseits des Vorstellbaren und allein unsere Gegenwart ein Höhepunkt. Am unvergesslichen Abend in Bodom, Ghana wurden wir sogar Teil der übermittelten Geschichte des Dorfes. Die Aufregung und die Begeisterung in den Augen der mich umringenden Kinder werde ich immer in Erinnerung behalten. Ich hoffe unser Auftreten hat etwas aufgeklärt und inspiriert und vielleicht dem einen oder anderen die Motivation gegeben selbst eines Tages in die Ferne zu ziehen.
Zu guter Letzt hoffe ich natürlich auch für euch, die Leser, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben und neben ein wenig Unterhaltung, für den einen oder anderen eine Anregung zu eigenen Unternehmungen geliefert zu haben. Es ist einfacher als man denkt. Das schwierigste der gesamten Reise, war der feste Entschluss loszufahren, das Bekannte zu verlassen, loszulassen. Die Hindernisse und Probleme auf dem Weg bewältigen sich dann fast wie von selbst. Ich erinnere mich sehr gut an das mulmige Gefühl über die Grenze nach Marokko zu fahren, den Schutz Europas hinter mir lassend. Ich fahre in eine Welt ohne Auffangnetz, während die meisten ihr Leben lang daran arbeiten, ihre Zukunft abzusichern. Doch man stellt sich nicht ohne Wasser mitten in die Wüste. Man ist umgeben vom Besten was Afrika zu bieten hat, seinen liebenswerten Bewohnern, die sich insbesondere durch Hilfsbereitschaft und der Fähigkeit zur Improvisation auszeichnen. Mehr Absicherung benötigt man nicht und nach meiner Erfahrung kommt selbst mitten in der Wüste jemand über den nächsten Hügel spaziert, bittet um eine Zigarette und kennt den Weg zur nahegelegenen Oase.
Ich blicke zurück über ein halbes Jahr in Afrika und schaue auf einen lebendigen, sprudelnden Teil meines Lebens. Afrika ist mir vertraut geworden. Es ist ein Teil von mir geworden und ich ein Teil Afrikas. Wenn ich in Berlin einem Afrikaner auf der Strasse begegne, muss ich intuitiv lächeln und will sagen "Hallo, hier bin ich, ich bin einer von euch.", doch ich finde nicht das wunderbare afrikanische Lächeln, dass mir Afrika entgegengebracht hat. Retrospektiv fühlt sich die Fahrt nahezu wie ein gelesenes Buch über eine andere Person aus einer anderen Welt an. Ich schaue aus dem Fenster meiner Berliner Bleibe und die Erinnerungen an die Abenteuer der vergangenen Monate könnten auch aus einem langen Traum stammen, so irreal, so unvereinbar mit der mich hier umgebenden Realität scheinen sie mir. Ich werde oft gefragt "Erzähl, wie wars!?" und es fällt mir schwer zu antworten. Wo soll ich anfangen? Das Erzählen der vermeintlichen Höhepunkte vermittelt nicht das Gefühl in Afrika zu sein, auf sich allein gestellt, das Motorrad zwischen den Beinen und die Strasse im Blick, alles was man braucht in zwei kleinen Koffern verstaut, jeder Tag eine fremde Welt ohne Garantien, das Leben so hautnah, dass es eine Gänsehaut auslösst. Man muss es erleben, dabeisein und eintauchen. Wer sich vom Ballast des Alltags befreit, den Komfort und die Bequemlichkeit abschüttelt und den Schritt ins unbekannte Fremde wagt, wird mit einer Erfahrung belohnt, die nie und nimmer den Entschluss in Frage stellt. Selten habe ich die Richtigkeit einer Entscheidung intensiver und überzeugter gespürt, als bei der Entscheidung für Afrika und wer sich mit ähnlichen Gedanken trägt, dem will ich wärmstens empfehlen, Zögere nicht und geh raus in die Welt.