Dec 122008
Unvermeidlicher Behoerdenkampf, KTM-Generalueberholung, ein vorsichtiger Einblick in die Realitaet des Voodoo, das Leben in Lome, eine Verhaftung mit Gefaengnisbesuch - kurzum auch diesmal gibt es wieder einiges zu berichten. Schoen das ihr wieder dabei seid!
Langsam aber sicher fahrend, bin ich in Lome,Togo angekommen. Die KTM und ich haben es bis hierher geschafft, ein Ziel, das sich seit einigen Wochen anfuehlte, wie ueber LOS zu kommen, gibt es hier doch den einzigen KTM-Haendler in Westafrika und die vermutlich beste Motorradwerkstatt zwischen Spanien und Suedafrika. Statt Geld zu bekommen, gebe ich es zwar fuer Reparaturen aus, aber kaufe mir damit sozusagen weitere Strassen auf dem Weg nach Sueden, um es mal bei dem Gleichnis zu belassen. Meinen bereits angekuendigten Besuch eines Betterplace Projektes in der Naehe von Accra musste ich aufgrund des Motorrades leider wieder absagen. Da es sich aufgrund der Reparatur und Visaformalien bereits andeutete, dass ich hier einige Tage verbringen werde, ist es umso erfreulicher, dass Lome eine ueberaus angenehme und sofort liebenswerte Stadt ist. Paul, ein Australier, irischer Herkunft, mit dem ich Zeit in Kokrobite und Lome verbracht habe, hat mich gefragt welche Hauptstadt mir auf dem bisherigen Weg am sympatischsten war und ich habe nach kurzem Revue passieren lassen - Lome - geantwortet.
[caption id="attachment_311" align="alignleft" width="320" caption="Kein verlassener Strand, sondern der Stadtstrand von Togos Hauptstadt. Direkt hinter den Palmen beginnt Lomes Zentrum."][/caption]
Lome liegt direkt am Meer und hat einen ueberaus schoenen weiten Strand, gesaeumt mit einem etwa 30 Meter breiten Palmenguertel. Die Luft ist vergleichsweise sauber und es weht staendig eine frische Brise. Frisch ist natuerlich relativ zu verstehen. 33 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit reichen trotzdem fuehr mehrere durschgeschwitzte T-Shirts pro Tag. Die Stadt ist, die Marktgegend ausgenommen, weitlaeufig angelegt, mit vielen Frei- und Gruenflaechen, 2-3 geschossigen Haeusern und hat einen erheblich geringeren Wuselfaktor als bisherige Hauptstaedte auf meinem Weg. Nach wenigen Tagen auf Motorradtaxis durch die Stadt kutschiert, hat man bereits einen recht soliden Ueberblick ueber die Viertel und die Srassenstruktur. Wir sind im schoenen Hotel Le Galion am Rande des Zentrums untergekommen, dass mir, in der Naehe des Strandes gelegen, die Moeglichkeit bietet, wieder mal joggen zu gehen und zur Belohnung danach direkt in die warmen aber maechtigen Wellen zu springen.
Lome ist einfach und billig. Um beispielsweise abends Essen zu gehen, verlasse ich das Hotel und setzte mich auf eines der zahlreichen 125ger Motoradtaxis, die mich fuer etwa 15 Cent zu einem Essenstand am Strassenrand bringen. Essenstaende gibt es ueberall und bieten im Allgemeinen eine vielfaeltige Auswahl an Nudeln, Sossen, Reis, Salaten, Fruechten, frittierte Bananen und diversen anderen Speisen, die in zahlreichen Schuesseln untergbracht sind, aus denen man sich einen Teller zusammenstellen kann. Ein bunter grosser Teller inklusive unwiderstehlich leckerer Mango als Nachspeise und dem obligatorischen Fanice Eis schlaegt dann mit etwa einem bis zwei Euro zu Buche. FanMilk Eiscream hat sich in den vergangenen Tagen, seitdem es mir Paul in Kokrobite gezeigt hat, zur Sucht entwickelt. Es handelt sich dabei um vanillemillkshakeaehnliches Eis, das in eingeschweisten 100 ml Tueten verpackt ist. Man beisst eine Ecke ab und schluerft den Rest aus der Packung. Ueberall in der Stadt sind Verkaeufer unterwegs, die FanMilk Wagen vor sich herschieben und sich hupend ihren Weg durch die Strassen bahnen. Das Zeug ist derart lecker, dass ich bereits bei einer 2-stelligen Anzahl Eis am Tag angekommen war, bevor ich mir eine maximale Menge von 4 Stueck auferlegt habe, um Bauchschmerzen vorzubeugen.
Will man sich nicht selbst zum Essen bewegen, reicht es im Allgemeinen auch aus einfach die immerzu herumlaufenden Frauen abzuwarten, die von Kokusnuessen ueber allerlei Geback, nahezu jede erdenkliche Speise (und auch alles erdenkliche andere) auf dem Kopf tragen. Apropro Gebaeck, es gibt wieder leckere Baguettes und es wundert mich doch rueckblickend sehr, wie es moeglich ist, dass ein Land wie Ghana, ausschliesslich umgeben von ehemals franzoesischen Kolonien, es nicht schafft, selbst vernuenftiges Brot zu produzieren. Erstaunlich, aber andererseits hat auch kein deutscher Nachbar eine vergleichbare Qualitaet oder Vielfalt eines normalen deutschen Baeckers zu bieten. Einspruch erlaubt :) .
Natuerlich gibts auch Schattenseiten. Die Armut ist zum Teil erschreckend. Man muss schon etwas genauer hinsehen, um zu erkennen, das viele der Leute , die tagsueber entspannt unter dem Palmenguertel schlafen, auch nachts keine Bleibe haben. Wenn ich frueh morgens am Strand jogge und durch die Abschnitte laufe, die den aermlichen Gegenden besonders nah sind, sieht man alle 20 - 40 Meter Menschen mit heruntergezogener Hose hocken, die in unmittelbarer Naehe der Kueste und damit meiner Laufspur, scheinbar schamlos und voellig offenbahr ihr Geschaeft verrichten. Es ist erniedrigend, traurig und widerlich und bleibt natuerlich auch nicht ohne Geruchsfolgen fuer den Strand. Ich sehe Frauen, die sich in den Abfluessen, die aus der Stadt kommen und ins Meer fliessen, waschen, schrecklich entstellte Krueppel, die am Strassenrand betteln und voellig verwahrloste Gestalten, die sich mir sprichwoertlich zu Fuessen werfen und um Almosen bitten. Dennoch sind dies Ausnahmen in einer ansonsten einladenden, lebendigen und sympatischen Stadt.
[caption id="attachment_309" align="alignleft" width="320" caption="Schaedel auf dem Fetisch Markt in Lome"][/caption]
Lome liegt mitten in der Region, in der die Voodoo Religion stark verbreitet ist und ein Fetisch Markt am Stadtrand laedt ein, einen ersten Eindruck zu erhaschen. Die ueberall in der Region vorhandenen Maerkte bieten in erster Linie eines, getrocktnetes totes Getier jeder nur erdenklichen Spezies. In der Praxis dienen diese als Zutaten fuer Rezepte, die vom Voodoo Chief zusammengestellt werden. Die Zutaten werden daraufhin gemalen und unter festgelegten Zeremonien verbrannt, eingenommen, geopfert usw.. Wir haben den auf diesem Markt vorhandenen Voodoochief einen Besuch abgestattet und uns ueber die moeglichen erwerblichen Gluecksbringer aufklaeren lassen. Ich entschied mich fuer Gluecksbringer fuer die Reise, die Liebe und fuer Heim und Haus. Diese koennen, muessen aber nicht fuer die eigene Person sein. In einer Zeremonie werden diese dann mit der Zielperson personifiziert und muessen dann unter Einhaltung bestimmter Regeln aktiviert werden. Am Ende werden dann Muscheln gewuerfelt, die den Preis bestimmen, der natuerlich sehr hoch ist, aber dafuer umso staerker verhandelbar. Vorteilhaft ist, das die Talismane immer an eine Person gebunden sind, nicht an das Ziel. So koennen sie ein Leben lang fuer immer verschiedenen Reisen, die jeweiligen Frauen (oder Maenner) der Wahl, bzw. dem aktuellen Heim, unter Beachtung der Aktivierungszeremonien wiederverwendet werden. Ein echtes Schnaeppchen also.
Eigentlicher Grund des Aufenthaltes hier in Lome sind allerdings die Reparatur der KTM und das Beschaffen der Visa fuer Nigeria und wenn moeglich Angola, den, neben der DRC, problematischsten Laendern auf unserem Weg.
[caption id="attachment_310" align="alignleft" width="320" caption="meine KTM bei Toni Togo"][/caption]
Toni Togo war eine sehr positive Ueberaschung. Eine gut ausgestatte Werkstatt in europaeischen Standard, ein Hof voller KTMs, ein schweizer Mechaniker mit Liebe fuer seine Arbeit und die Zusage, das mein fahrbarer Untersatz hier gut aufgehoben ist und alles repariert werden kann. Der Mechaniker hat auch noch viel Erfahrung mit meinem Modell und ich fuehle mich wie im Werkstatthimmel. Ich lege meine Reparaturliste vor und fuege noch etwas naiv hinzu, dass ich mir zusaetzlich wuensche, dass der Mechaniker eine volle Dursicht inklusive dem Einstellen der Ventile macht und moegliche Problem- oder Schwachstellen untersucht, damit ich mit gutem Gefuehl meine Weiterfahrt antreten kann. Als ich daraufhin am kommenden Tag vorbeischaue, sehe ich mein Motorrad voellig zerlegt vor mir stehen, mit einem Mechaniker, der voller Sorgfalt und Liebe in Bereichen operiert, die ich nie zuvor gesehen habe. Mit einem guten Gefuehl lasse ich ihn schrauben und bereite mich derweil schonmal auf eine saftige Rechnung vor. Leider sind nicht alle Ersatzteile vor Ort, so dass ich widerum DHL bemuehen muss. Die Teile sind bereits fuer ca. eine Fantastilliarde DHL Euro von KTM Berlin verschickt worden und sollten am Montag hier sein. Ich klopfe aufs Holz und warte es ab...
Die Beschaffung des Visums fuer Nigeria war mit Schwierigkeiten verbunden. Viel Hartnaeckigkeit, viermaliges Vorsprechen und einiges an organisatorischem Aufwand hat mich von "Nein, wir stellen nur Visa fuer Einwohner Togos aus. Sie muessen Ihr Visum in Deutschland beantragen." ueber "Vielleicht bekommen Sie ein 5 Tage Transitvisum." bis hin zu "Wir koennen Ihnen ein 14 taegiges Touristenvisum ausstellen." gebracht. Dafuer erfoderlich waren letztlich der Pass, 2 Passbilder, 2 Antragsformulare, 2 Passkopien, 2 Kopien des Visums fuer Ghana, 80 Euro, ein freies Schreiben mit der Begruendung, was wir in Nigeria wollen und warum ich das Visum nicht schon in Deutschland beantragt habe, eine Notiz der deutschen Botschaft in Togo, die bestaetigt, dass ich ein braver Deutscher bin, der nur harmlos und touristisch Nigeria kennenlernen will, ein verhoeraehnliches, persoenliches Gespraech mit dem Bearbeiter und etwa 4 Stunden Wartezeit. Viel Aufwand fuer ein Land, dass seine Schatten vorauswirft und das wir nur zuegig durchqueren wollen. Schoen siehts aber aus das Visum in meinem Pass, der in Kokrobite aus Versehen mitgewaschen wurde und nun einem voellig zerfallenen Lappen aehnelt.
Ein taeglicher Besuch in der Botschaft von Angola hat allerdings leider nicht zum Erfolg gefuehrt, da zunaechst der Bearbeiter krank war und es sich letzlich heraustellte, dass alle angolanischen Visaantraege Westafrikas nach Abuja, Nigeria geschickt werden. Das wuerde sehr lange dauern, aber wir wissen aus recht zuverlaessiger Quelle, das in Abuja keine Touristenvisa fuer Nichtafrikaner mehr ausgestellt werden. Das Problem wird also vertagt. Die DRC und Angola zu passieren duerfte sich als echte Herausforderung etablieren, denn wir wissen, dass ein uns vorausfahrender Motorradfahrer in Gabon festhaengt und kein Visum fuer die DRC erhaelt, es sei denn er hat einen Rueckflug oder ein Visum fuer Angola. Angolanische Visa werden hingegen, so der allgemeine Konsenz, wenn ueberhaupt nur in Kinshasa, DRC ausgestellt. Da beisst sich die beruehmte Katze in den Schwanz. Oder Catch 22 wie der Englaender sagen wuerde. Wir vertagen das Problem und bleiben optimistisch.
OK, warum nun aber "Hinter Gittern"?
Eines morgens entschied ich mich, entgegen meiner urspruenglichen Laufrichtung, nach Westen am Strand entlang Richtung Ghana zu joggen. Lome liegt nah an der Grenze und ich wollte bis zur Grenze und zurueck. Nach wenigen Kilometern hocke ich mich hin, um ein Boot in der aufgehenden Sonne zu fotografieren, als mich jemand anxsssst. "Xssssst" ist ein sehr effektives Geraeusch, dass das Ohr auch im lautstaerksten Stadtgetummel noch sehr differenziert, deutlich und vorallem praezise ortbar wahrnimmt. Da ich es aber immer und staendig hoere, weil mir irgendjemand irgendwas verkaufen will, bin ich darauf trainiert, nicht mehr zu reagieren, ignoriere ihn und jogge weiter. Im Augenwinkel sehe ich aber, dass er jemanden, den ich nicht sehen kann mit den Armen rudernd auf mich aufmerksam macht. Mein erster Gedanke ist "Die wollen meine Kamera" und ich laufe zunaechst kontinuierlich, aber mit wachsender Beklemmung weiter. Kurze Zeit spaeter stuermen drei in Uniform bekleidete Polizisten den Strand in meine Richtung und rufen und mir wird klar, dass ich besser kooperativ bin und gehe ihnen entgegen. Mit Erschrecken sehe ich die Wappen auf deren Uniform. Sie tragen die Aufschrift "Ghana". Ich werde als illegaler Grenzgaenger abgefuehrt und muss mir von einem kleinen gruenen (Farbe der Uniform) Giftzwerg in anklagender und drohender Ausprache anhoeren, dass ich willentlich versucht haette in Ghana einzudringen und was ich mir dabei gedacht habe. Die Frage nach meiner Intention war allerdings ueberfluessig, denn er liess mich nie ausreden. Der Vorgesetzte war nicht da und so wurde ich kurzer Hand in einer etwa 10 qm grossen Zelle untergebracht. Das Gefuehl offiziel meiner Freiheit beraubt zu sein und das Geraeusch der einrastenden Gittertuer und des Schluessels werde ich wohl nie vergessen. In der Zelle waren noch drei weitere sehr ungluecklich aussehende Mitgenossen, die schweigend vor sich hinstaarten. Wir sprachen nicht. Bevor ich jedoch echtes Unbehagen entwickeln konnte, wurde ich etwa zwei Minuten spaeter wieder herausgeholt und in ein Buero gesetzt und man wies mich an dort zu warten. Der Giftzwerg wurde derweil im Nachbarraum vom zurueckgekehrten Vorgesetzten verhoert und ich wurde kurz darauf dazugeholt. Nachdem ich barfuss und verschwitzt vor den Grenzbeamten stehend die Gelegenheit bekam, meine Sichtweise zu schildern und darauf hinzuweisen, dass ich voellig ohne Wissen die Grenze ueberquert hatte und eine Grenze vom Strand aus auch nicht erkennbar ist (es gibt nichtmal ein Schild), wurde ich wieder zurueck ins Buero eskortiert. Der Fall war klar. Ich hatte illegal die Granze nach Ghana ueberquert, was eine Geldstrafe und den erneuten Erwerb eines Visums nach sich zieht. Alles was ich bei mir hatte waren eine Schwimmhose, ein T-Shirt, mein Hotelschluessel und eine Kamera und ich war gespannt wie sie die Umsetzung meiner Strafe organsieren wuerden. Noch einige Minuten diskutierten vier Maenner meinen Fall, bis der Giftzwerg ungehalten abmarschierte, was ich als gutes Zeichen interpretierte. Ein anderer kam heraus, bat mich mitzukommen und fuehrte mich wieder zum Strand hinunter, deutete Richtung Togo und sagte "You jog back". Erleichtert bedankte ich mich, rannte davon und gelangte ungesehen, an den Grenzbehoerden Togos vorbei, wieder zurueck. Was fuer eine Aufregung noch vor dem ersten Kaffee!
[caption id="attachment_314" align="alignleft" width="320" caption="Die aus allen GPS Daten zusammengefuegte Route, leider nur als Bild. Die Berechnung fuer die vollstaendig nutzbare Google maps Version dauerte 3 Stunden..."][/caption]
Trotz dem angenehmen Dasein hier in Lome zieht es mich weiter. Die Reise dehnt sich zunehmend aus und aus meinen angepeilten 3-4 Monaten werden nun voraussichtlich 5-6. Afrika scheint immer groesser zu werden, je laenger ich unterwegs bin und ein Blick auf die Karte sagt mir ich habe zwar die Haelfte des Weges von Berlin aus gesehen zurueckgelegt, aber der Weg durch Afrika ist noch ein sehr weiter. Wir legen Lome dennoch als Halbzeit fest und stossen darauf an. Wenn alles gut geht, werden wir am Dienstag unseren Weg fortsetzen und nach nur kurzem Abstecher in Benin zuegig in nur 3 - 4 Tagen durch Nigeria rauschen. Soweit der Plan. Geoff hat sich aus organisatorischen Gruenden fuer 10 Tage nach England verabschiedet, duerfte aber keine Probleme haben, uns wieder einzuholen.
Ich wuensche euch ein schoenes Wochenende und melde mich voraussichtlich vor Nigeria nochmals mit einem kurzen Update zurueck. Machts gut und bis zum naechsten Mal.